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Sardinien: Die heilige Quelle Su Tempiesu

Von Orune führt ein schmaler, asphaltierter Weg 10 km talwärts, das letzte Stück ist Schotter und gerade so breit wie ein PKW. Vom Parkplatz am Tickethaus  läuft man nochmals 20 Minuten einen kleinen Trampelpfad in Serpentinen  bergab. Su Tempiesu liegt tief versteckt in der sardischen Landschaft. Der Weg und die wunderschöne Lage an einem Berghang in einem abgeschiedenen Tal machen die besondere Atmosphäre des Ortes aus. Man braucht Zeit und sollte sich noch mehr Zeit nehmen. Das ist kein Ort für schnellen Besichtigungstourismus.

Dank eines Bergrutsches zur Zeit der Nuraghen ist Su Tempiesu das am besten erhaltene Heiligtum dieser antiken sardischen Kultur. Es wurde vollständig verschüttet und erst 1953 entdeckt. Der Bergrutsch hat nur die Spitze des Steindachs abgerissen, die Teile wurden etwas unterhalb gefunden. Die gesamte Anlage hat einen Dornröschenschlaf und eine Zeitreise von ca. 3.000 Jahren hinter sich.

Der Bau mit Quelle und den umgebenden Mauern ist völlig erhalten geblieben. Die Quelle füllt noch heute das interne Becken und läuft über eine Rinne nach außen. Die Entdecker haben noch die Votivgaben im äußeren Becken gefunden.

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Äusseres Becken

Es war ein Heiligtum oder zumindest ein Platz der Kontemplation. Die Nuraghen haben viele Kultplätze rund um Quellen oder Brunnen gebaut. Wasser hatte in ihrer Religion eine besondere Bedeutung. Viel mehr wissen wir nicht über die Kultur der Nuraghen. Sie standen zeitweise in enger Verbindung mit den mykenischen Königreichen in Griechenland und Kreta, aber auch dem gesamten Mittelmeerraum. Wahrscheinlich erklang auch hier die Launedda, eine Schilfrohrflöte, die auch heute noch auf Sardinien gespielt wird. Abbildungen in ihrer heutigen Form sind 3.000 Jahre alt, ihre Geschichte geht also noch viel weiter zurück. Ähnliche  Instrumente aus Schilfrohr oder anderen Materialien gab es in Ägypten und im antiken Griechenland (Aulos).
Der Abstieg nach Su Tempiesu führt über einen Rundweg durch einen kleinen botanischen Garten mit Hinweisen auf die einheimisch Flora und Fauna. Für den Wiederaufstieg sollte jeder, der nicht sehr sportlich ist, etwas mehr Zeit einplanen und im Sommer die Mittagszeit meiden. Aber man hat – jedenfalls außerhalb der Touristensaison in den Sommermonaten – die Landschaft und den Tempel für sich allein. Diese Fotos sind im staubtrockenen Oktober 2017 nach einer monatelangen Dürreperiode entstanden. Die Quelle der Nuraghen hat nach mehreren tausend Jahren immer noch frisches, kühles Wasser.

Nur die Schließzeiten der Anlage haben mich daran gehindert, hier noch ein paar Stunden mit der Kamera zu verbringen. Bei Sonnenuntergang war ich wieder auf dem Weg nach Orune. Ich möchte im Herbst oder noch besser im Frühjahr wiederkommen, früh morgens, wenn der Nebel im Tal liegt und die Sonne aufgeht.
Und ich werde wiederkommen. 2019 werde ich gemeinsam mit Peter Clotten von 28peaks unter dem Titel „Lichtfänger“ auf Sardinien, der Insel des Lichts, einen Fotoworkshop an den schönsten und teils kaum bekannten Orten Sardiniens anbieten. Mit im Programm: die Wildpferde der Giara di Gesturi.
Interesse? Es gibt bald mehr Infos hier auf diesem Blog. Oder per E-Mail (charlotte.venema@icloud.com) unverbindlich melden.

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Auf dem Rückweg von Su Tempiesu

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Landschaft bei Orune