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Egos, Communities und Netzwerke

Menschen haben ab und zu tolle, wirklich neue Ideen, die sie auch umsetzen wollen. Dazu kann man ein Unternehmen gründen, aber nicht jede gute Idee ist auch gleich ein Geschäftskonzept. Das passt also nicht immer.

Deshalb blüht seit einigen Jahren der Community-Gedanke. Communities oder Netzwerke können sehr wirksam sein, um ein gemeinsames Ziel mit gleichgesinnten Freunden, Geschäftspartnern, Kollegen und sogar mit potentiellen Konkurrenten zu erreichen. Wenn alle gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten, hat schließlich jeder was davon. Für solche Partnerschaften kann man auch mal den Gedanken an die Konkurrenzsituation zurückstellen.

Aber in Communities und Netzwerken gelten andere Regeln als in Unternehmen.

„Seine eigene“ Geschäftsidee kann und sollte jeder gegen Konkurrenz schützen. Wenn ich mehrere Menschen einbeziehe, wird das eine Gratwanderung zwischen Vertrauen und gesundem Menschenverstand. Aber es ist immer noch „meine“ Idee, die ich so umsetzen kann, wie ich mir das vorstelle.

Wenn jemand aber „seine“ Idee an eine Community weitergibt, entsteht im Idealfall ein kreativer Prozess, in dem die Idee weiterentwickelt und ergänzt wird. Umgekehrt erhält der Ideengeber auch etwas zurück. Seine Idee wächst und entwickelt sich. Es ist nicht mehr seine, sie gehört jetzt dem Netzwerk der Community. Deshalb läßt sie sich auch nicht mehr so umsetzen, wie der Ideengeber es einmal vorhatte. Sie wird durch die kreativen Ideen der Community verändert. Der Ideengeber muss den Gedanken loslassen, dass er noch die Kontrolle über die Idee hat.

Menschen, die aus der Unternehmenswelt kommen oder als Freelancer und Kleinunternehmer tätig sind und den Nutzen der Communities noch nicht selbst erfahren haben, versuchen oft eine schwierige Gratwanderung. Sie wollen die Community nutzen, aber auch die Kontrolle behalten. Also erleben sie Menschen, die sich die Idee zu eigen machen, als heimtückische Kopisten. Das ist berechtigt, wenn jemand die fremde Idee als eigene ausgibt. Das passiert aber in der Regel nicht. Was aber häufig passiert ist, dass jemand die Idee um eine neue Komponente erweitert und sich dann sofort aufmacht, diese Variante umzusetzen. Möglicherweise hat diese Person sogar die viel besseren Mittel, um die ursprüngliche Idee oder eine Variante davon erfolgreich umzusetzen.

Darauf gibt es zwei mögliche Reaktionen. Die eine ist, den Kontrollverlust zu betrauern und dem Rest der Welt oder einzelnen Personen vorzuwerfen, man habe die Idee geklaut, verfälscht oder sich unter den Nagel gerissen.

Die zweite ist, staunend und entspannt zuzusehen, wie die Idee wächst und von anderen übernommen wird. In einer intakten Community bekommt man die Investition irgendwann zurück, weil man ständig Impulse erhält. In einer intakten Community ist man immer noch an der Umsetzung beteiligt. Aber es kann auch sein, dass  die Idee  sich soweit verändert, dass man sie selbst nicht mehr brauchen kann. Das kann passieren. Wer eine Initiative in einer Community startet, sollte loslassen können. Und die Mitglieder der Community sollten jede Idee als einen kreativen Beitrag würdigen. Eine intakte Community erinnert sich an den Ideengeber und respektiert ihn für seinen Input. Aber sie bleibt dabei nicht stehen.

Wer jetzt das eigene Ego auspackt und versucht, die Kontrolle zurück zu bekommen, indem er die scheinbar „unliebsamen“ Zeitgenossen ausgrenzt oder auch noch persönlich angreift, verstümmelt die eigene Initiative. Das Schöne an der der Arbeit in Communities ist, dass man mehr zurückbekommt, als man investiert. Aber nicht immer und nicht immer sofort.

In einer Community gibt es keinen, der die Leitung hat oder auch nur beanspruchen könnte. Eine zentrale Leitung impliziert Teilnehmer, die weniger zu sagen haben. Das zerstört jedes Netzwerk. In einer Community oder einem Netzwerk haben die Personen Einfluss, die in die Community investieren. Sie sind die Organisatoren und Initiatoren, die alle voranbringen, weil ihnen etwas an dem konkreten Ziel liegt. Wenn sie es in dieser Community nicht erreichen können, suchen sie eine andere oder gehen das Thema anders an. Der Einfluß in der Community wird also durch die Qualität der Beiträge definiert.

Ausgerechnet in einer Community von Coaches konnte ich gerade beobachten, wie aus einer tollen Idee mit Potential etwas viel Kleineres wurde. Statt das Wachsen der Idee zuzulassen, drohte die Person, die die  Idee eingebracht hatte, einem vermeintlichem Konkurrenten mit einer Klage. Die Community ist gespalten, die Kommunikation ist fragmentiert. Alle, die von dem unschönen  Streit abgestoßen wurden, haben sich ganz oder teilweise zurückgezogen. Eine kleinere Gemeinde harter Fans wird weiter an der ursprünglichen Idee arbeiten und feiert jeden weiteren Schritt als Sieg über die vermeintlichen Störer.

Die Schwachstelle von Netzwerken ist, dass die Entwicklung durch eine einzige Initiative, die unter falscher Flagge segelt, nachhaltig gestört werden kann. Erfolgreiche Communities halten einige Regeln ein, die aber selten explizit niedergelegt sind. Die wichtigste: Der Gebende soll dankbar sein, dass er geben durfte.